Am 24. Juni 2014 blieb meine Welt von jetzt auf gleich stehen...
Mein
Mann Sergej und ich erfuhren am Freitag den 11. Oktober 2013 das wir
nach langer Kinderwunschbehandlung wieder schwanger sind. Wir haben
bereits einen 3 jährigen Sohn (Linus), den wir auch mit Hilfe des
Kinderwunschzentrum bekommen haben. Unsere Freude war unbeschreiblich!
Wir konnten es gar nicht fassen...
Doch schon ein paar
Stunden später dachten wir unser Traum würde platzen. Ich bekam
Blutungen. Wir haben schon zwei Kinder in der Frühschwangerschaft
verloren, daher befürchteten wir das schlimmste.
Im
Kinderwunschzentrum konnten wir niemanden mehr erreichen, daher fuhren
wir zu einem Frauenarzt der gerade Notdienst hatte. Nach der
Untersuchung gab dieser erst einmal Entwarnung, es sei eine kleine
Blutung, die allerdings nichts mit dem Baby zu tun hat.
Erleichtert fuhren wir erst einmal nach Hause.
Am
nächsten Tag fuhren wir mit einem befreundeten Paar und deren Tochter
in unseren ersten Familienurlaub, nach Fehmarn. Auf der Insel besuchten
wir, nach Absprache mit dem Kinderwunschzentrum, eine Klinik. Dort
sollte nach dem HCG Wert geschaut werden, ob dieser weiter steigt. Er
stieg und wir konnten die Woche Urlaub ein wenig genießen.
Als
wir nach einer Woche wieder zuhause ankamen, fuhr ich gleich am
nächsten Tag ins Kinderwunschzentrum. Ich freute mich, da wir jetzt
eigentlich auf dem Ultraschall schon etwas sehen müssten. Doch leider
war nichts zu sehen. Mir wurde wie immer Blut abgenommen um zu
kontrollieren was der HCG Wert macht. Traurig und entmutigt fuhr ich zu
meinen Eltern und wartete auf den Anruf meines Arztes.
Nach ein
paar Stunden rief mich unser behandelder Arzt an und sagte mir, ich
solle sofort ins Krankenhaus fahren. Mein HCG Wert wäre viel zu hoch und
da wir auf dem Ultraschall nichts gesehen haben muss dies eine
Eileiterschwangerschaft sein, die von den werten her viel zu hoch ist
und jeden Moment gefährlich für mich werden könnte.
Ich rief Sergej an der Arbeit an, dieser kam sofort zu meinen Eltern und holte mich ab.
Im
Krankenhaus angekommen wartete unser Arzt schon auf uns. Er machte
erneut einen Ultraschall, diesmal auf einem anderen Gerät...
Mein
Mann und ich schaute wie erstarrt auf den Monitor. Dann entdeckten wir
unsere Eizelle, die genau dort war, wo sie sein musste.
Wir waren so erleichtert. Auch unser Arzt war erleichtert und freute sich mit uns.
7
Tage später lief mir von jetzt auf gleich viel Blut die Beine hinunter.
Voller Panik bat ich meinen Bruder mich ins Krankenhaus zu fahren. Als
wir dort ankamen, wurde ich sofort untersucht. Die Ärzte entdeckten eine
geplatzte Ader in der Gebärmutter, genau an der Stelle wo sich auch
unser kleines Fröschchen eingenistet hatte. Sie machten mir nur wenig
Hoffnung, da die Schwangerschaft noch nicht so weit fortgeschritten war
und durch so eine starke Blutung die meisten Eizellen abgestoßen werden.
Doch unser Fröschchen war stark!
Als
ich am nächsten Tag zur Kontrolle kam und mein Kinderwunscharzt einen
Ultraschall machte, sah ich zum ersten mal das Herzchen unseres Kindes
schlagen.
So viel Freude, so viel Glück... Ich konnte es nicht fassen.
Ich
musste mich jetzt schonen und sollte die ersten 12 Wochen eigentlich im
Krankenhaus verbringen. Allerdings wollte ich Linus nicht "alleine"
lassen, daher einigten wir uns darauf, dass ich die nächsten Wochen mein
Bett nicht verlassen soll und immer jemand bei mir sein muss.
Die 12 Wochen zogen sich wie Kaugummi... Doch dann waren sie endlich vorbei...
Meine Schwangerschaft war von da an, wunderschön!
Obwohl mein Bauch immer größer wurde, nahm ich nicht unbedingt viel zu. Ich fühlte mich sau wohl in meiner Haut.
Am
27. Januar 2014 erfuhren wir, dass unser Fröschchen ein kleiner
Froschprinz ist. Eigentlich wollte ich gerne ein Mädchen, da wir ja
schon einen kleinen Jungen zuhause haben. Doch als meine Frauenärztin
fragte, ob ich erkennen könnte was auf dem Ultraschall zu sehen war, war
ich überglücklich und alle rosa Kleidchen der Welt waren total
uninteressant.
Wir bekommen einen kleinen Jungen!
Linus bekommt einen kleinen Bruder!
Unser Jahne Lewin!
Jahne
entwickelte sich super. Unsere Frauenärztin war immer sehr zufrieden.
Er war von seinem Gewicht zwar immer an der obersten Grenze, aber das
sollte uns nicht beunruhigen. Das waren wir auch schon von Linus
gewöhnt, er kam damals mit einem "Kampfgewicht" von 4690g und 53cm auf
die Welt.
Am 19. April 2014 ließen wir von unserem
befreundeten Fotografen Peter super schöne Babybauch - Fotos machen und
dekorierten diese ganz stolz in der Wohnung.
In der 39. Schwangerschaftswoche stellten wir uns in der Uniklinik vor, dort wollten wir unseren Sohn zur Welt bringen.
Jahne
wurde hier viel kleiner bzw. leichter geschallt. Sergej und ich freuten
uns, da wir ihn sehr gerne auf natürlichen Weg zur Welt bringen
wollten.
Der nächste Termin in der Klinik war der errechnete Geburtstermin.
Am
Samstag den 21. Juni 2014 fuhren wir in die Klinik. Jahne wurde wieder
geschallt und sein Gewicht sollte bei 3550g liegen. Meine Plazenta, das
Fruchtwasser usw. alles wurde kontrolliert und uns wurde gesagt, dass
wir locker noch 12 Tage über den Geburtstermin drüber gehen können.
Also entschlossen wir uns Heim zu fahren und abzuwarten ob unser kleines Fröschchen bald von alleine auf die Welt kommen möchte.
Am Montag den 23. Juni 2014 gingen wir zum rutine CTG. Auch hier war wie immer alles gut.
An
diesem Abend gingen mein Mann und ich etwas später ins Bett. Ich redete
noch mit Jahne und wünschte ihm eine gute Nacht. Er reagierte mit
Bewegungen.
Dienstag, 24. Juni 2014
Ich wurde
morgens wach, mein Mann war schon unterwegs um ein paar Erledigungen zu
unternehmen und um danach leckere Brötchen vom Bäcker mit zu bringen.
Linus hatte die Nacht bei seinen Großeltern verbracht und sollte bis zur
Geburt seines kleinen Bruder dort bleiben.
Ich setzte mich ins
Bett und wunderte mich schon warum Jahne nicht strampelt, so wie jeden
morgen. Ein komisches Gefühl machte sich in mir breit. Ich stand auf und
ging unter die Dusche. Jahne liebte es, wenn ich mit der Duschbrause
meinen Bauch beriesle. Er streckte immer seinen kleinen Po raus und
strampelte kräftig. Doch diesmal kam keine Reaktion...
Voller
Panik sprang ich aus der Dusche, rief meinen Mann an und bat ihn so
schnell wie möglich Heim zu kommen. Sergej brauchte nicht lange und wir
fuhren sofort zu unserer Frauenärztin.
Die
Sprechstundenhilfe versuchte mich ans CTG anzuschließen, doch sie konnte
keine Herztöne finden. Auch als meine Ärztin es versuchte war nichts zu
hören. Sie machte gleich darauf einen Ultraschall. Doch nichts...
Das Herzchen von unserem kleinen Fröschchen Jahne Lewin hatte aufgehört zu schlagen.
Sergej
ließ sofort den Krankenwagen rufen. Bis dieser kam und bis wir endlich
in der Klinik ankamen vergingen so unendlich lange Minuten.
In der
Klinik mussten wir auf den Oberarzt warten, er war uns nicht unbekannt,
denn er hatte drei Tage zuvor noch gesagt, dass alles gut ist und das
wir ein von der Größe und Entwicklung ganz normales Kind erwarten. Der
Oberarzt schallte mich und bestätigte den Tod von unserem Sohn.
Sergej und ich wurden erst einmal alleine gelassen um mit dieser Nachricht klar zu kommen. Es war so unfassbar.
Mein kleiner Schatz, der vor einigen Stunden noch auf meine Guten-Nacht-Wünsche reagiert hatte, sollte jetzt tot sein?
Unser zweites Wunschkind, dass wofür wir so lange gekämpft haben, soll tot sein?
Ich schrie...
Es tat so unfassbar weh.
Nach
einiger Zeit kam der Oberarzt zu uns um mit uns zu besprechen, wie wir
Jahne auf die Welt bringen möchten. Ich entschied mich für einen
Kaiserschnitt unter Vollnarkose.
Allerdings hieß das, dass wir
noch lange warten müssen, da noch einige OP´s vor uns dran waren. In
dieser Zeit überlegten Sergej und ich wie wir unserem kleinen, großen
Bruder Linus, beibringen sollen, dass sein kleiner Bruder, auf den er
sich so gefreut hat, auf den er wartet, das dieser nicht zu uns nach
hause kommen wird, dass er gestorben ist. Für mich war klar, ich möchte
das Linus die Chance hat sich zu verabschieden, dass er Jahne sieht.
Allerdings ist Linus zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal 3 Jahre
gewesen, daher waren wir uns nicht sicher ob wir ihm schaden könnten.
Wir baten eine Hebamme, ob sie einen Psychiater zu uns schicken könnte,
so dass wir ihn fragen können, was wir tun sollen. Es dauerte keine
Stunde, da kam eine Psychiaterin zu uns. Wir berichteten ihr was
geschehen ist und wie wir es unserem Sohn beibringen möchten. Sie
bestärkte uns in unserer Absicht.
Kurz vor Mitternacht wurde ich dann geholt und in den OP geschoben.
Um 23:56 Uhr wurde unser Sohn Jahne Lewin mit einem Gewicht von 4270g und einer Körpergröße von 55cm per Kaiserschnitt geboren.
Sergej
wartete in einem Nebenraum. Dort brachte eine Hebamme Jahne hin. Als
Sergej ihn sah, erschrak er zuerst. Jahne war so groß. Er hatte
wahnsinnig große Füße und sehr große Hände. Mein Mann durchtrennte die
Nabelschnur, badete Jahne und zog ihm seine Sachen an.
Als ich wach wurde, fragte ich gleich nach meinen Sohn. Sergej brachte mir Jahne.
Ich hielt ihn in meinen Armen.
Mein Kind, mein wunderschönes Kind.
Ich küsste ihn und konnte meine Tränen nicht unter Kontrolle bringen.
Nach einiger Zeit kam eine Hebamme und bat uns, dass wir uns erst einmal etwas ausruhen. Sie nahm Jahne mit.
Wirklich
schlafen konnten Sergej und ich nicht. Morgens (Mittwoch) gegen 7:00
Uhr holte Sergej unseren kleinen Schatz auf unser Zimmer. Dort hielt ich
ihn, bis Peter zu uns kam. Sergej hatte am Tag davor schon mit ihm
telefoniert und ihn gefragt ob er Fotos von Jahne machen könnte.
Peter machte wunderschöne Erinnerungsfotos von unserem kleinen Jahne.
Als Peter gegangen war legte sich Sergej zu Jahne und mir ins Bett.
Wir hielten uns fest und kuschelten mit unserem kleinen Schatz.
Gegen
Nachmittag kamen meine Eltern mit unseren Sohn Linus. Sergej fing sie
im Treppenhaus der Klinik ab und erzählte Linus was passiert war. Meine
Eltern sind in dieser Zeit zu Jahne und mir gekommen und haben ihr
zweites Enkelkind in den Arm genommen.
Sergej kam mit Linus ins
Zimmer. Linus schaute seinen kleinen Bruder kurz an und wollte dann doch
erst einmal mit seinem Papa Fahrstuhl fahren. Sergej ging mit Linus
wieder raus und spielte mit ihm.
Kurze Zeit später kamen auch noch meine Tante und mein Onkel zu uns.
Nachdem Linus genug gespielt hatte, wollte er wieder zurück auf mein Zimmer.
Linus
kam rein, setzte sich zu mir und Jahne aufs Bett und sah sich
seinen kleinen Bruder ganz genau an. Ich fragte ihn ob er Jahne mal halten
möchte, Linus nickte und ich legte ihn seinen kleinen Bruder in die
Arme. Linus lächelte und hielt Jahnes Hand.
Als Linus fahren musste, küsste er Jahne auf die Stirn und verabschiedete sich von ihm.
Sergej, Jahne und ich, wir verbrachten den restlichen Tag gemeinsam...